Egon Erwin Kisch (1885 - 1948) gilt in Deutschland nicht nur als der
wichtigste Vertreter der sozialen Reportage, sondern auch als deren
Begründer. Aber ausgerechnet sein bekanntestes Werk "Der rasende
Reporter" kann kaum als gesellschaftskritisch bezeichnet werden. Mit
diesem Band bediente Kisch ein bürgerliches Publikum, das er
hauptsächlich nur unterhalten wollte. Die Ansätze einer Kritik waren
zwar vorhanden, blieben allerdings undeutlich und in ihrer
Wirkungsabsicht beliebig. Erst mit seinen späteren Werken schaffte es
der gebürtige Prager, die Form der Reportage in den Dienst einer
wirkungsvollen Kritik zu stellen. Die Weiterentwicklung seiner Reportage
und die verschiedenen Phasen, die Kisch als Autor dabei durchlief, sind
Gegenstand dieses Buches. Es wird die These vertreten, dass Kischs
Schaffen als Buchautor einer deutlichen Wandlung unterlag. Daher wird
der Versuch unternommen, sein Werk in drei verschiedene Phasen
einzuteilen, wobei jede einzelne stellvertretend für eine neue Stufe auf
dem Weg zu einer möglichst wirkungsvollen sozialkritischen Reportageform
steht. Erste Phase: Der tendenzlose Reporter, der sich dem Postulat der
Objektivität verschrieben hat, im Einfluss der Neuen Sachlichkeit steht
und dessen Kritik an den herrschenden Zuständen noch unklar und
willkürlich ist (etwa der Zeitraum 1918 - 1924). Zweite Phase: Ein in
seinen großen Reisebüchern der späten 1920er Jahre zur operativen
Agitation im marxistischen Sinne tendierender Autor, der von den
Belangen des Proletariats umtrieben ist (1926 - 1930). Dritte Phase: Der
historisch-materialistisch argumentierende Berichterstatter, der
vollends die Arbeiterklasse in den Mittelpunkt seiner Texte stellt (ab
1932). Um diese Einteilung und die sich daraus ableitende Entwicklung
als schlüssig beweisen zu können, werden die thematischen
Zusammenstellungen der einzelnen Reportagebände sowie die jeweils
gebrauchten kompositorischen Techniken und stilistischen Mittel
untersucht, stets im Vergleich mit K