Während der zweiten Verbannung des noch christlichen Prinzen Julian in
Nikomedia (ca. 350) lehrte dort Libanios. J ulian hatte zwar
versprochen, den Unterricht des Heiden nicht zu besuchen, wußte aber das
Verbot zu umgehen, indem er sich durch kleine Geschenke von einem andern
Studen- ten tagtäglich Nachschriften der Vorträge dieses beliebten
Rhetors ver- schaffte. (]. Bidez, Julian der Abtrünnige, München o.
]., 63. ) Damit ist vergleichsweise die Situation geschildert, welcher
der Psalmen- kommentar von Tura entstammt, nur daß sie zwei bis drei
Jahrzehnte später fällt, der Ort Alexandrien ist, der Lehrer Didymus der
Blinde - zu seiner Zeit kaum weniger berühmt als sein heidnischer
Kollege -, das Thema der V orträge die Erklärung der Psalmen. Auch hier
also schrieb ein Hörer mit, seine Nachschrift wurde kopiert, eine dieser
Kopien überdauerte die Jahr- hunderte bis auf unsere Zeit, eine Lage
dieses Kodex gelangte schließlich in die Kölner Papyrussammlung und wird
hiermit erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Daß es sich um
eine "Kollegnachschrift" handelt, hat Vorteile und Nach- teile. Letztere
machen es notwendig, daß schon die Übersetzung als erste Hilfe zum
Verständnis des oft schwierigen Textes dienen muß, das dann durch die
Erläuterungen in - soweit möglich - vollem Umfang dem Leser
aufgeschlossen werden soll. Dieses Verständnis mußte vor allem aus den
antiken Zeugnissen selbst gewonnen werden. Es war nicht beabsichtigt,
die im Text jeweils aufscheinenden Probleme erschöpfend zu behandeln,
doch sollte andererseits der traditionelle und zeitgenössische
geistesgeschicht- liche Hintergrund deutlich werden.