Eine Studie tiber das Kranium in der Kultur- und Kunst- geschichte muB
aus verschiedenen Grtinden etwas ganz anderes werden als eine
entsprechende Studie tiber Teile des menschlichen K6rpers, die leicht
sichtbar sind, wie etwa das Gesicht, das Auge, der Mund oder die Hand
oder das Herz. Uber das Gesicht des Menschen und tiber die Kunst, den
menschlichen Charakter und alles andere, das sich hinter dem Sichtbaren
verstecken kann, herauszulesen (Physiognomik), gibt es ja eine alte
Erfahrung und eine fast untibersehbare Literatur. Dasselbe gilt
gewissermaBen auch yom Auge, dessen wechselnder Ausdruck so viele
Ktinstler und Photographen eingefangen haben (vgl. den Artikel von Dr.
NOELLE CHOMEE in B. BELLUGUES Dar- stellung in "Formes et Couleurs" 19).
Auch yom menschlichen Munde gilt dasselbe, obgleich vielleicht in
geringerem Grade. Die Hand des Menschen, bisweilen so ausdrucksvoll, oft
in noch h6herem Grade als das Gesicht die unbewuBte Visitenkarte des
Menschen, hat seit altesten Zeiten einen Symbolwert, der kaum
tibertrofl'en werden kann. Man gibt einander die Hand, um ein
Versprechen zu bekraftigen. Die geballte Hand zeigt Festigkeit, die
erhobene geballte Faust bedeutet HaB oder Drohung. Mit der Hand schreibt
man seine Namensunterschrift. In meiner Kindheit sah ich bisweilen, wie
einem nicht Schreibfahigen von jemandem geholfen wurde, der seinen Namen
schrieb, und darunter die Be- merkung: "Mit der Hand auf der Feder".
Darauf setzte der nicht Schreibkundige seine Hausmarke auf das wichtige
Papier.