Der Korper ist das primare Instrument in der Musiktherapie. Aus ihm, mit
ihm und durch ihn entstehen alle Ausdrucksformen stimmlicher und
instrumentaler Art. Musik entsteht im und durch den Korper, der sie
hervorbringt und ausdruckt - sie wirkt wiederum auf den Korper, bewirkt
physiologische, vor allem auch emotionale Reaktionen und lasst den
Korper in Bewegung kommen. Die Lebensgeschichte eines Menschen ist in
seinem Korpergedachnis gespeichert und kann im musiktherapeutischen
Erleben im Bewusstsein auftauchen. Akustische Erfahrungen gehoren neben
taktilen neurobiologisch zu den fruhesten. Im genealogischen Teil dieses
Buches wird erortert, welche tiefen Bezuge zwischen der Musiktherapie
und der therapeutischen Arbeit mit dem Korper historisch verburgt sind.
Im praxeologischen Teil geht es um aktuelle methodologische und
theoretische Ansatze und um die Umsetzung von Korperlichkeit in konkrete
musiktherapeutische Vorgehensweisen. Diese konnen korperliche Beruhrung
einbeziehen oder auch nicht. Musik kann naturlich stets auch beruhren,
ohne dass eine konkrete korperliche Beruhrung notwendig ist. Das ist
eine Starke musiktherapeutischer Behandlung z. B. von Kindern, Patienten
mit psychosomatischen Erkrankungen oder in der Geriatrie. Die
Problematik des korperlichen Kontakts in der Psychotherapie generell
wird naher erortert. Der unreflektierte Umgang mit dem Korper,
insbesondere in Form jeglicher korperlicher Beruhrung, kann durchaus
eine Gefahr darstellen bzw. zu manifesten Behandlungsfehlern fuhren,
auch dann, wenn es sich nicht um einen sexuell
intendierten/sexualisierten Korperkontakt handelt. In manchen Bereichen
wiederum funktioniert Psychotherapie aber auch gar nicht ohne spontane
oder gezielte Beruhrung. Ein gutes Beispiel stellen hier Kinder oder
Patienten in der neurologischen Rehabilitation dar. Auch darauf soll in
diesem Buch Bezug genommen werden. In bestimmten Fallen wiederum ware
moglicherweise eine zuwendende Korperberuhrung auch in einem primar
verbal angelegten Verfahren hilfreich, wird aber in aller Regel
konsequent vermieden. In der reichhaltigen Literatur zu den verbalen
Psychotherapieverfahren wird die Beschaftigung mit diesem Thema
weitgehend ausgeklammert. Vielleicht kann das vorliegende Buch dazu
beitragen, dass all dies mehr in die Diskussion kommt: Wie kann man den
Umgang mit dem Korper noch besser in - nicht nur - musiktherapeutische
Ausbildungen integrieren?