Wir wenden uns zu einer anderen, allgemeineren Betrachtung: ein
Jahrhundert, das sich bloß auf die Analyse verlegt und sich vor der
Synthese gleichsam furchtet, ist nicht auf dem rechten \Vege; denn nur
heide zusammen, wie Aus- und Einatmen, machen 1 das Leben der
\Vissenschaft. Goethe - . Das Krebsproblem ist seit bald 100 Jahren die
Domäne von Spezialisten. Je nach den Fortschritten der
Naturwissenschaften waren es bald Morphologen, bald Strahlenphysiker,
dann Stoffwechselphysiologen oder Gewebezüchter, Bio- chemiker und
Zellforscher, schließlich Genetiker und Chemiker, die den jeweiligen
Hauptaspekt des Krebsgeschehens vermittelten. Die Fülle ihrer
Forschungs- ergebnisse in der Analyse seiner Phänomene ist ungeheuer.
Aber die Spezialisierung zeitigte, wie überall, so auch hier ihre
Gefahren: viele Theorien machten sich anheischig, aus engen
Einzelbefunden das Ganze zu erklären, die Sprache der einen blieb
anderen weitgehend unverständlich und denen, die täglich im Kampf mit
dem Krebs stehen, den Ärzten, war die lebendige Beziehung zu dem
Erforschten vielfach versagt. Je größer die Fülle analytischer
Ergebnisse - sie ist schier unübersehbar geworden - desto größer wird
das Bedürfnis nach Synthese, desto verständlicher der Wunsch nach einer
Ausdeutung der Befunde für Gesundheit und Krankheit des Menschen.
Analyse und Synthese, beide zusammen, von der Krebskrankheit über alle
Formen der Verursachung, Erkennung und Bekämpfung bis zu ihrer
Verhütung, der Versuch einer solchen Gesamtschau aller Krebsfragen,
alles vom kranken Menschen her gesehen und immer wieder auf den Menschen
bezogen, liegt unseres Wissens noch nicht vor.