Dem Kantischen Projekt der Vernunftkritik liegt eine "ursprüngliche
Einsicht" zugrunde, die schrittweise zu einer begrifflichen Klärung
gelangt. Von dieser These ausgehend entwickelt Axel Hutter ein neues
Verständnis des systematischen Gesamtzusammenhangs der
transzendentalphilosophischen Hauptwerke. Er nimmt dabei Kants bislang
auch wenig beachteten Begriff eines Interesses der Vernunft zum
Leitfaden. Denn der Sinn einer wahrhaft autonomen Vernunft ist für Kant
durchaus nicht der, von jedem Interesse frei zu sein, sondern der, dem
eigenen Interesse folgen zu können, und zwar ungehindert durch
vernunftfremde Motive, die überhaupt nur deshalb mit Grund "fremd"
genannt werden können, weil die Vernunft ein eigenes Interesse kennt.
Kants ursprüngliche Einsicht besteht für Hutter darin, daß allein der
Mensch (das "Zwischenwesen" par excellence) ein Inter-Esse zu entwickeln
vermag: Ein reines Naturwesen kennt nur sinnliche Bedürfnisse, ein
reines Vernunftwesen hingegen weder Bedürfnis noch Interesse. Von hier
aus ergibt sich der für die Transzendentalphilosophie grundlegende
Begriff eines spezifisch menschlichen Vernunftinteresses und einer in
sich differenzierten Vernunfteinheit. Über diesen in sich
differenzierten Vernunftbegriff verfügt Kant allerdings noch nicht in
der "Kritik der reinen Vernunft". Der philosophischen Revolution, die
zur ersten Kritik führt, muß daher eine mindestens ebenso radikale
Revolution zur Seite gestellt werden, die über die "Kritik der reinen
Vernunft" hinaus zur "Kritik der praktischen Vernunft" und zur "Kritik
der Urteilskraft" führt. Kants ursprüngliche Einsicht entfaltet sich
dergestalt schrittweise in der Reihe seiner
transzendentalphilosophischen Hauptwerke - eine Gedankenentwicklung, die
Hutter detailliert nachvollzieht.