Das pseudo-aristotelische "Sirr al-asrar" / "Secretum secretorum" gehort
zu den einflussreichsten Texten des Mittelalters. Der inhaltlich
ausserst vielfaltige Text (Furstenlehre, Medizin, Kriegsfuhrung,
Alchemie etc.) entstand im 10. Jahrhundert in arabischer Sprache und
wurde seit dem 12. Jahrhundert in verschiedene orientalische und
europaische Sprachen ubersetzt. Zwei lateinische Ubersetzungen begrunden
die volkssprachliche Tradition in Europa.Um die ganze inhaltliche
Spannweite des "Sirr al-asrar" / "Secretum secretorum" abzudecken,
unterzieht die Autorin die arabische Langfassung einer exemplarischen
Inhaltsanalyse, die den heterogenen Aufbau des Werkes aufzeigt. Erortert
wird zudem die Frage nach der Gattungszugehorigkeit der arabischen
Texte, insbesondere auf Grund von Rezeption und Mituberlieferung. Dabei
zeigt sich, dass der Text wegen seiner inhaltlichen Disparatheit und
seines Konglomeratcharakters nicht eindeutig einer literarischen Gattung
zugeordnet werden kann. Die beiden lateinischen Ubersetzungen werden nur
insoweit behandelt, als ihre Kenntnis fur die Beurteilung der davon
abhangigen deutschen Ubersetzungen relevant ist. Das Hauptaugenmerk
liegt auf den deutschen Ubersetzungen der lateinischen Fassungen:
Untersucht werden neunzehn deutsche Texte aus der Zeit zwischen der
ersten Halfte des 13. und dem Ende des 15. Jahrhunderts. Wahrend die
bisherige Forschung die deutschen Fassungen nur partiell zur Kenntnis
nahm, wird hier ein moglichst breiter Uberblick geboten, meist mit Hilfe
einer Autopsie der Handschriften; drei Fassungen werden im Anhang
erstmals ediert. Fur die einzelnen Fassungen werden jeweils Datierung
und Lokalisierung sowie die erhaltenen Handschriften, deren
Mituberlieferung und mogliche Rezeption und schliesslich die Eigenheiten
der Kompilation und Ubersetzungstechnik eruiert, so dass den
diskutierten Texten je ein individuelles Profil zugeschrieben werden
kann. Regula Forsters Arbeit ist ein Beitrag zur Textgeschichte im
Allgemeinen und zur Fachprosaforschung im Besonderen. Untersucht wird,
wie an sich unoriginelle Inhalte zu einem neuen, als solches originellen
Ganzen kombiniert werden (wobei vor allem die Fiktion, es handle sich um
ein Sendschreiben des Aristoteles fur Alexander den Grossen, den Text
zusammenhalt), wie die Texte von ihren zeitgenossischen Lesern rezipiert
wurden und welchen literarischen Gattungen sie zuzurechnen sind.