\Seine Mutter, von ihm "La belle dame\ genannt, war eine der
gesuchtesten Modistinnen im ersten und zweiten Kaiserreich und stammte
aus der Schweiz. Sein Vater, Sohn eines Perückenmachers, hielt die
Kasse. Der Laden lag am Anfang der Rue du bac, gleich an der Seine - vor
hundert Jahren war das gute Gegend - nicht sehr groß aber fein,
soigniert. Wer etwas auf sich hielt, ließ dort arbeiten. Es gibt von
Gavarni eine reizende Gravüre aus dem Jahre 1830, modes de Mme. Corot\
Ein Pärchen in der heute wieder entdeckten, intimen Eleganz der Zeit.
Sie im süßesten Kapottehütchen mit großen Bindebändern, in dem großen
geradlinigen Sessel englischer Herkunft; der Geck steht in langem
Glockenrock daneben. Die Mutter liebte den Jungen zärtlich. Der Vater,
echter, nüchterner Bourgeois mit anständigem Embonpoint, tadellos reell,
betrachtete ihn mit Erstaunen, wunderte sich noch, als man von dem
fünfzigjährigen Sohne ein Bild kaufen wollte, und konnte, als die
Ehrenlegion eintraf, nicht fassen, daß die Auszeichnung nicht für ihn
selbst, sondern für den Maler bestimmt war. Man machte dem Jungen keine
allzugroßen Schwierigkeiten, den merkwürdigen Beruf eines Malers zu
ergreifen, hänselte ihn allenfalls. Der Alte schrieb das Geld gut, das
für die Etablierung eines Geschäftes für den Sohn zurückgelegt war, und
zahlte ihm eine anständige Rente. Dumme Streiche fürchtete man nicht.
Camille war ein gutes Kind. Der Rest kam bei dem Gang der Geschäfte
nicht in Frage.\ [...] Julius Meier-Graefe beschreibt in seinem
vorliegenden Werk das Leben des bedeutenden französischen
Landschaftsmalers Camille Corot. Illustriert mit über 75 historischen
Abbildungen. Dieses Buch ist ein unveränderter Nachdruck der
Originalausgabe von 1913.