Wer sich mit der Entwicklung des Gesundheitszustands und der
Gesundheitsversor- gung in unserer Gesellschaft befaßt, wird zunächst
sicher eher eine "objektivistische" Perspektive bevorzugen. Er wird Z.B.
auf die Errungenschaften der modernen Hygiene und Medizin eingehen,
ferner auf den Ausbau der Krankenanstalten und des Netzes von
Arztpraxen, und schließlich wird er die Entwicklung des
Krankenversicherungs- wesens schildern, das zum mindesten in unserem
Lande eine weitgehende Versorgung auch der unteren Einkommensschichten
ermöglicht. Allerdings wird er nicht nur Posi- tives berichten. Unser
Gesundheitssystem ist ins Gerede gekommen. Kritisiert wird einerseits
die explosive Kostenentwicklung. Dabei taucht die Frage auf, ob die
partiell, aber eben nur partiell von Marktmechanismen abgekoppelte
Gesund- heitsversorgung nicht in Gefahr gerät, der Verschwendung anheim
zu fallen. Denn der Patient, der für fast alle in Anspruch genommenen
Leistungen versichert ist, hat kei- nen Anlaß, sich sparsam zu
verhalten. Daß er langfristig durch seinen Aufwand zur Erhöhung der
Versicherungsabzüge beiträgt, bestimmt nicht sein aktuelles Handeln.
Dadurch bremst er aber auch nicht das Verhalten seiner Partner, die
durchaus ökono- mische "Wachstumsinteressen" verfolgen, z.B. die
pharmazeutische Industrie oder auch manche Ärzte, die z.B. durch
Anschaffung teurer technischer Geräte ihre Angebotspa- lette vergrößern
und zu nutzen versuchen; d.h. die Regulierung des Angebots durch die
Nachfrage funktioniert nicht. Zum anderen wird immer wieder behauptet,
daß trotz eines scheinbar lückenlosen "sozialen Netzes" in der
Gesundheitsversorgung "soziale Ungleichheit" existiere. Angehörige
höherer Schichten hätten bessere Chancen, etwas für ihre Gesundheit zu
tun, als etwa Arbeiter und Arbeiterfrauen.