"Der Witz ist der Finder und der Verstand der Beobachter" (S. 113). So
pointierte Georg Christoph Lichtenberg, Professor der reinen und
angewandten Mathematik in Gottingen (seit 1770), Astronom, dann
Professor der Physik mit einem beriihm- ten Kolleg in
Experimentalphysik, Entdecker der Lichtenbergschen Entladungsfi- guren
(1778), Gutachter in Blitzableiter- und Maschinenfragen, popuHirwissen-
schaftlicher Schriftsteller, scharfsinniger Spotter und Kritiker,
verborgener Dichter zwischen Aufklarung, Sturm und Drang und beginnendem
romantischen Idealis- mus. Er verstand Witz viel umfassender als heute:
als Verschmelzung weitgetrenn- ter Bereiche zu einer originellen
Einheit, im naturwissenschaftlich/technischen Bereich etwa Salpeter und
Schwefel zu SchieBpulver (S. 189) oder - schon von der Naturwissenschaft
weg: Hoftitel und Blitzableiter zu "Koniglicher Hofblitzableiter - ein
Titel" (S. 68). Das ist einer seiner vielen Aphorismen, zu seinen
Lebzeiten unbekannt, aber entscheidend fUr seinen Nachruhm als groBer
Dichter deutscher Sprache. Er selbst nannte diese Aphorismen
"weggeworfene" Bemerkungen, "Pfennigwahrheiten" - nur ein einziges Mal
verwendet er selbst den Ausdruck Aphorismus. Er schmierte diese
Bemerkungen in seine "Sudelbiicher" wie die englischen Kaufleute ihre
kurzen privaten Notizen: "Die Kaufleute haben ihr Wastebook (Sudelbuch,
Klitterbuch glaube ich im Deut- schen), darin tragen sie von Tag zu Tag
alles ein was sie verkaufen und kaufen, alles durch einander ohne
Ordnung, aus dies em wird es in das Journal getragen, wo alles mehr
systematisch steht, und endlich kommt es in den Leidger at double
entrance nach der italianischen Art buchzuhalten. In dies em wird mit
jedem Mann besonders abgerechnet und zwar erst als Debitor und dann als
Creditor gegeniiber.