Im vorliegenden Band wird versucht, dem deutschsprachigen Leser einige
sozial wissenschaftliche Forschungsansätze vorzustellen, die in den
Vereinigten Staaten zunehmend Interesse findEn, im deutsch- sprachigen
Raum - abgesehen vom Symbolischen Interaktionismu- bisher jedoch kaum
rezipiert sind: den Symbolischen Interaktionis- mus, die
Ethnomethodologie, die Ethnotheorie (ethnoscience) und die Ethnographie
des Sprechens. Diese Ansätze verbindet das In- teresse, bei der
Beschreibung und Erklärung gesellschaftlicher Phänomene
mitzuberücksichtigen, wie die Gesellschaftsmitglieder selbst die
gesellschaftliche Wirklichkeit erleben. Ohne Berücksich- tigung der
Eigenperspektive der GesellschaftsmitgIieder kann man - so diese
Ansätze - nicht zureichend erklären, warum in spezifi- schen sozialen
Situationen spezifische Personen in bestimmter Wei- se und nicht anders
handeln. Die hier zusammengestellten Ansätze verbindet also ein
zentrales Interesse am All t ag sw isse n der Gesellschaftsmitglieder.
inso- fern unterscheiden sie sich von der'klassischen deutschen Wissens-
soziologie, die weniger am selbstverständlichen Alltagswissen der
Gesellschaftsmitglieder, denn an hochtheoretischen "sekundären"
Konstruktionen sozialer Gruppen interessiert war. Ein weiterer
Unterscheidungspunkt ist der, dass diese Ansätze versuchen, die
Alltagswissensbestände, auf die sie im Laufe ihrer Forschung stossen, in
ihrer permanenten Erzeugung, Umkonstruktion und An- wendung im
Interagieren der Gesellschaftsmitglieder zu erfassen und nicht als
losgelöste Gesamtheiten sozialen Aggregaten korrelativ
gegenüberzustellen - sozialen Aggregaten, die bereits immer schon
abschliessend vorverstanden sind. Das Alltagswissen ist für die ge-
nannten Ansätze nur insofern interessant, als es ein heuristisches
Medium zur empirischen Erfassung des Handeins der Gesellschafts-
mitglieder und der systematischen sozialen Strukturiertheit dieses
Handeins ist.